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public-l - [DENICpublic-l] PRESSEMITTEILUNG: Netz in Bewegung - Schlaglichter der Internet-Fachtagung Domain pulse in Berlin

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[DENICpublic-l] PRESSEMITTEILUNG: Netz in Bewegung - Schlaglichter der Internet-Fachtagung Domain pulse in Berlin


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  • From: DENIC Presse <presse AT denic.de>
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  • Subject: [DENICpublic-l] PRESSEMITTEILUNG: Netz in Bewegung - Schlaglichter der Internet-Fachtagung Domain pulse in Berlin
  • Date: Fri, 27 Feb 2015 21:11:19 +0100
  • Resent-from:

*PRESSEMITTEILUNG*

Netz in Bewegung - Schlaglichter der Internet-Fachtagung Domain pulse in
Berlin

Ausrichterin DENIC begrüßt den ehemaligen Bundesbeauftragten für
Datenschutz und Informationsfreiheit Peter Schaar, MdB Christian Flisek
und Branchenexperten zu aktuellen netzpolitischen Debatten
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Sehr geehrte Damen und Herren,

gibt es im Zeitalter von Web 2.0 überhaupt noch Mittel und Wege, digitaler
Blamage oder gar Demontage zu entgehen? Ist die Macht großer kommerzieller
Online-Dienste wie Google oder Facebook inzwischen so groß, dass ihre
Regulierung nötig, sinnvoll und möglich ist? Wie können Nutzer die Hoheit
über ihre Online-Kommunikationsinfrastrukturen erlangen? Welche Chancen
bieten Ansätze wie die Transparenz von Algorithmen, offene Standards und
Interoperabilität? Muss der Staat die Öffentlichkeit vor Netzmonopolisten
schützen? Mit welchen Mitteln könnte dies geschehen und wie realistisch
ist ihre Durchsetzbarkeit? Hat die Einführung neuer Adressendungen im
Internet wie .hamburg, .bio oder .bmw tatsächlich eine „Revolutionierung“
des Web ausgelöst, wie von den Betreibern versprochen, und haben sich die
Erwartungen der Nutzer erfüllt?

Thesen, Prognosen und Antworten auf diese und andere brandaktuelle Fragen
unter dem Motto „Netz in Bewegung“ lieferte der jährliche Fachkongress
Domain pulse, dessen zwölfte Auflage am 26. und 27. Februar in Berlin
stattfand. Mehr als 350 Fachbesucher folgten den Vorträgen und
Podiumsdiskussionen internationaler Experten bei dem etablierten
Branchentreffen, das sich zur alljährlich bedeutendsten Veranstaltung für
Themen, Tendenzen und Trends rund um Internetdomains im deutschsprachigen
Raum entwickelt hat. Gemeinsam mit den Registrierungsstellen der
Länderdomains von Österreich (nic.at) sowie der Schweiz und Liechtenstein
(SWITCH) führt die DENIC eG, Betreiberin der deutschen Länderkennung .de
im Internet, als diesmalige Ausrichterin die zweitägige Expertentagung
Domain pulse im jährlichen Wechsel durch.

Kontrollversuch und Kontrollverlust im digitalen Zeitalter

Zum Auftakt der Tagung am 26. Februar 2015 sezierte Keynote-Speaker Prof.
Dr. Bernhard Pörksen – einer der international profiliertesten
Kommunikationsforscher von der Universität Tübingen – in einem
pointenreichen philosophischen Diskurs über die Grundprinzipien des
Reputationsmanagements anhand vieler erhellender Fallbeispiele, wie der
Ruf von Privatpersonen, aber auch von Unternehmen und politischen
Organisationen sich heute in Rekordzeit dirigieren lässt. Jeder Einzelne,
jedes Unternehmen und jede Institution brauche unterdessen eine Strategie
für das mediale Zeitalter: „Die Mitmach-Medien der Gegenwart haben völlig
neue Möglichkeiten der Skandalisierung geschaffen. Es reicht schon, dass
sich jemand empören will – und dass er irgendwie sein Publikum findet“,
machte Pörksen klar, der seinen Zuhörern auch konkrete
Handlungsempfehlungen mit auf den Weg gab.

Digitale Schwergewichte: Kontrolle oder Laissez-faire?

In einem verbalen Schlagabtausch zum Thema „Digitale Schwergewichte und
Gesellschaft: Kontrolle oder Laissez-faire?“ lieferten sich Peter Schaar,
Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit a.D., und
Thomas Knüwer, Gründer der Digitalstrategie-Beratung kpunktnull, eine
hitzige Debatte darüber, wie in einer Zeit, die geprägt ist vom
Strukturwandel des Privaten, umzugehen ist mit der Machtfülle von
Netzmultis wie Google und Facebook, deren Monopolstatus Totalität statt
Pluralität zur Folge hat. Lockin-Effekte, die sich durch mangelnde
Interoperabilität sozialer Netzwerke ergeben, sichern Monopole zusätzlich
ab, da waren sich die Experten einig, nicht aber darin, wie dies zu
bewerten sei.

Knüwer sieht die gegenwärtige Diskussion, die sämtliche Netzunternehmen
per se unter Generalverdacht der Datenhortung für unlautere Zwecke stelle,
als überzogen an; aus Nutzersicht sei die Existenz etwa mehrerer sozialer
Netzwerke nicht sinnvoll, da sie keine bruchfreie Kontaktpflege zulasse.
Für ihn stellt sich die Big-Brother-Frage eher im Zusammenhang mit
öffentlichen Institutionen, deren zunehmender Pre-Crime-Ansatz zur
Verbrechensprävention die verdachtsunabhängige Massensammlung von Daten
legitimieren solle.

Peter Schaar dagegen sieht angesichts der erdrückenden Dominanz der
Netzmonopolisten, die Wettbewerber im großen Stil aufkaufen und
Nutzerdaten aus verschiedensten Diensten extrahieren, zusammenführen und
feingranular personalisieren, dringenden staatlichen Regulierungsbedarf.
Der Gesetzgeber müsse dafür sorgen, dass durch die Transparenz von
Algorithmen und eine Öffnung der Standards bei bestimmten Dienstleistungen
Nutzersouveränität herbeigeführt werde. Das geltende Wettbewerbs- und
Kartellrecht müsse weiterentwickelt werden, eine neue Definition von
Monopolen, die die Nutzersicht ebenso berücksichtige wie die Auswirkungen
von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken auf den Werbemarkt sei
überfällig.

Kritisiert wurde in der Diskussion auch die weitgehend unbefriedigende
Haltung der deutschen Politik; im Gegensatz zu anderen Ländern wie
beispielsweise den USA gebe es hierzulande kaum Politiker mit einer klaren
Meinung in netzpolitischen Fragen. Auch ein echter Diskurs, in welcher
digitalen Gesellschaft wir künftig leben wollen, finde so gut wie nicht
statt. Die Politik sei schlicht überfordert und kompetenzbildende
Maßnahmen, die in die breite Öffentlichkeit getragen werden, ein Gebot der
Stunde.

Internet Governance: Die Karten werden neu gemischt – von Fallstricken und
Begehrlichkeiten

Auch der zweite Kongresstag des Domain pulse widmete sich intensiv
netzpolitischen Themen. Im Mittelpunkt stand zunächst die Großwetterlage
im Kontext von Internet Governance: Was ist von der NetMundial-Konferenz,
der großen Multistakeholder-Konferenz mit Einbindung aller
Interessensgruppen von der Politik über die Wirtschaft und technische
Community bis hin zur Zivilgesellschaft 2014 in Brasilien übrig geblieben?
Was sollte davon weiterverfolgt werden? Wie ist die NETmundial Initiative
(NMI) einzuschätzen, die stark vom Weltwirtschaftsforum vorangetrieben
wird? Ist sie ein sinnvolles Follow-Up zur NetMundial? Steht sie in
Konkurrenz zum Internet Governance Forum (IGF), wie manche munkeln? Wie
steht es um das IGF? Ist die Verlängerung des Mandats durch die UNO in
trockenen Tüchern? Wie stabil ist diese Institution? Wie stellt sich die
Aussicht auf eine Multi-Stakeholder-Organisation ohne den "Schatten des
Staates" dar, wie er mit der geplanten Aufgabe der Kontrollfunktion über
die grundlegenden Internetressourcen, die sogenannte IANA-Transition,
durch die USA im September 2015 vor der Tür steht? Braucht es eine
Aufsichtsinstanz außerhalb von ICANN? Können wir vom Prinzip der
Gewaltenteilung in modernen Demokratien etwas lernen für die
IANA-Nachfolge?

Eine hochkarätig besetzte Expertendiskussion mit Professor Wolfgang
Kleinwächter, ICANN-Direktoriumsmitglied, Thomas Schneider, Vorsitzender
des ICANN-Regierungsbeirats GAC, Christoph Steck, Direktor Public Policy
von Telefónica als privatwirtschaftlichem Vertreter der NETmundial
Initiative, Thomas Rickert vom eco-Verband der deutschen
Internetwirtschaft und DENIC-CEO Jörg Schweiger unternahm den Versuch,
Akteure, Rollen und Gemengelagen einzuordnen.

Tenor des Forums: Mit der NetMundial-Konferenz haben die verschiedenen
Interessengruppen unter Beweis gestellt, dass der Multistakerholder-Ansatz
auf Augenhöhe konsensfähig sei und eine gemeinsame Deklaration
verabschieden könne. Es müsse jedoch klar sein, dass es sich dabei
ausschließlich um die Verständigung auf gemeinsame grundlegende Werte
handle, die ein solides Fundament für gemeinsam zu erarbeitende Lösungen
auf internationaler Ebene darstellten.

Die NETmundial Initiative verstehe sich ausdrücklich nicht als
Parallelorganisation der Wirtschaft, die den Multistakeholder-Ansatz mit
seinem im Vergleich zu zwischenstaatlichen Verträgen unverbindlicheren
Charakter für sich instrumentalisieren wolle. Vielmehr sei die NMI zurzeit
gleichsam noch eine Beta-Version, die in einem offenen
Konsultationsprozess die Meinungen verschiedener Communities einhole und
ihr Arbeitsfeld als verbindendes Element zwischen verschiedenen
Initiativen verstehen will. Da das UN-Mandat des Internet Governance Forum
derzeit keine Entscheidungskompetenzen vorsehe, müsse auf anderen Ebenen
versucht werden, die im IGF-Rahmen identifizierten Frage- und
Problem­stellungen des zukünftigen Managements der Internetressourcen und
aller damit einhergehenden Dienste und Anwendungen umsetzungsorientiert
voranzutreiben.

Digitale Agenden für Deutschland und Europa – eine kritische
Bestandsaufnahme

In der sich anschließenden Diskussionsrunde „Wie die Alte der Neuen Welt
IT-Paroli bieten will: Digitale Agenden für Deutschland und Europa - eine
kritische Bestandsaufnahme“ trafen mit Christian Flisek, Sprecher der
SPD-Bundestagsfraktion für den NSA-Untersuchungsausschuss und Mitglied im
Ausschuss Digitale Agenda des Deutschen Bundestages, sowie Sabine
Verheyen, Mitglied des Europäischen Parlaments für die CDU und
stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und
Verbraucherschutz, deutsche und europäische Netzpolitiker auf Volker Tripp
von der Digitale Gesellschaft e.V., der die Kritikpunkte der
Zivilgesellschaft an den Agenden geltend machte.

Flisek verteidigte die von der Öffentlichkeit vielfach geschmähte Digitale
Agenda der Bundesregierung insofern als erfolgreichen Schritt in die
richtige Richtung, als dass damit erstmals eine Fokussierung von
Querschnittsthemen gelungen sei; auch die oft kritisierte Verteilung auf
drei federführende Ministerien (BMI, BMWi und BMVI) wertete er eher als
sich gegenseitig belebende Konkurrenz mit dem Ziel sinnvoller
Ausgestaltungen. Klaren Verbesserungsbedarf sieht er aber aus Sicht des
Untersuchungsausschusses im Grundrechtschutz durch Technikeinsatz und
fordert die institutionelle Verankerung eines permanenten Monitorings,
auch durch eine Reformierung der existierenden parlamentarischen
Kontrollgremien.

Sabine Verheyen verwies darauf, dass der europäische Ansatz des Digitalen
Binnenmarktes aufgrund der herrschenden Kompetenzübertragung an die EU in
erster Linie auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit ausgerichtet sei und
wegen der nationalstaatlichen Souveränität in Themen von
gesamt­gesellschaftlicher Relevanz diese nur begrenzt adressieren könne.
Ziel sei es, die unterschiedlichen Interessen aus den Mitgliedsstaaten zum
Zwecke einer stärkeren Harmonisierung zu bündeln. Tripp kritisierte dabei,
dass positive Impulse bisher ausschließlich aus dem Bereich der
Rechtsetzung gekommen seien, wie etwa das EuGH-Urteil zum Recht auf
Vergessenwerden.

Dass Code Law oft versuche, quasi als Ersatzgesetzgeber die Interessen von
Plattformen gegenüber demokratisch legitimierten Regeln quasi auszuhebeln
versuche, ist für Christian Flisek nicht tragbar. Da die bestehenden
Rechtsgrundlagen allesamt territorial begrenzt seien, bewegten sich
Unternehmen im globalen Kontext fortlaufend in Jurisdiktionskonflikten,
und eine internationale Verständigung auf Spielregeln zur Nutzung des
Internet sei daher dringend geboten. Man dürfe aber die eigene
Regelungskompetenz nicht aufgeben und müsse die europäischen Standards
mindestens auf transatlantischen Kontext anheben.

Volker Tripp forderte mehr Selbstbewusstsein in der Vertretung der
europäischen Grundrechtsposition; auch übte er Kritik an der aus seiner
Sicht fundamental angstgesteuerten, auf diffusen Befürchtungen basierenden
Entscheidungen der deutschen Politik. Er vermisst eine Kultur von
Möglichkeitsräumen und Chancen; die gemeinhin als Einfallstor für anonyme
Internetkriminalität angeprangerte WLAN-Störerhaftung beispielsweise solle
abgeschafft und ein Jahr später eine Evaluation durchgeführt werden,
inwieweit die damit verbundenen Befürchtungen sich als begründet erwiesen
hätten.

Generell stelle sich aber die Frage, so Sabine Verheyen, ob eine
Problemlösung über oder über Verhandlungen die bessere sei, etwa bei der
öffentlich stark kontrovers diskutierten Übermittlung von Fluggastdaten.
Es müsse aber anerkannt werden, wie schwierig ein Konsensprozess ist, und
man könne nicht so tun, als ob das deutsche Grundrechtsverständnis der
Maßstab aller Dinge sei.

Dem hielt Tripp entgegen, dass sich jeder zwar einen Diensteanbieter
danach aussuchen könne, ob einem dessen Regeln gefielen oder missfielen,
an die Regeln des hoheitlich agierenden Staates aber müsse man sich
halten, sodass sehr wohl zwischen unternehmerischen und staatlichen
Datensammlern zu unterscheiden sei.

Einigkeit bestand bei allen darin, dass deutsche Regierungsstellen
erheblich stärkere Präsenz auf der internationalen netzpolitischen Bühne
zeigen müssten.

Weitere Kongressthemen

Weitere Kongressthemen befassten sich damit, inwiefern die vor einem Jahr
an den Start gegangenen neuen Adressendungen im Internet sich im Markt
etablieren und dem Erwartungsdruck – auch unter dem Gesichtspunkt der
Suchmaschinenrelevanz – gerecht werden konnten, wie es um die Sicherheit
telematischer Systeme, mobiler Endgeräte und kritischer Infrastrukturen
bestellt ist, und wie Domaininhaber und Markeninhaber sich im Falle von
Verstößen gegen Kennzeichen- oder Urheberrechten durch Domains
auseinandersetzen.

Domain pulse im Internet

Das Gesamtprogramm der Expertentagung mit sämtlichen Akteuren findet sich
auf der Veranstaltungs-Website www.domainpulse.de. Etwa eine Woche nach
Veranstaltungsende werden Interessierten dort sämtliche Livemitschnitte
des Kongresses als Retrospektive zur Verfügung stehen. Der nächste Domain
pulse wird am 1. und 2. Februar 2016 in Lausanne in der Schweiz
stattfinden.


Mit besten Grüßen

Stefanie Welters
Pressereferat
--

DENIC eG
Kaiserstraße 75-77
60329 Frankfurt am Main
GERMANY

E-Mail: presse AT denic.de
Fon: +49 69 27235-274
Fax: +49 69 27235-235
http://www.denic.de

Angaben nach § 25a Absatz 1 GenG:
DENIC eG (Sitz: Frankfurt am Main)
Vorstand: Helga Krüger, Andreas Musielak, Carsten Schiefner, Dr. Jörg
Schweiger
Vorsitzender des Aufsichtsrats: Thomas Keller
Eingetragen unter Nr. 770 im Genossenschaftsregister, Amtsgericht
Frankfurt am Main

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Mailinglist-Managenment:
http://mailinglists.denic.de/mailman/listinfo/public-l

  • [DENICpublic-l] PRESSEMITTEILUNG: Netz in Bewegung - Schlaglichter der Internet-Fachtagung Domain pulse in Berlin, DENIC Presse, 02/27/2015

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